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Wikipedia und Scientology (1): Wie muss man sich eine Unterwanderung durch Scientology vorstellen? Worum geht es der Psychosekte dabei?

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03 28032014 Scientology is not a Religion

Ich kann die Leserschaft meines Blogs beruhigen: Scientology hat Wikipedia nicht übernommen. Das ginge gar nicht so einfach – und das weiß auch Scientology bzw. deren Geheimdienst, das Büro für Spezielle Angelegenheiten (Office of Special Affairs – OSA).

Scientology/OSA geht es um ganz etwas anderes – und das ist der Psychosekte bei Wikipedia sehr wohl gelungen.

Es geht um Meinungsführerschaft, die jeweilige Interpretation bzw. die Relativierung!

Während für kritische Betrachter der Psychosekte Scientology feststeht, dass diese ein totalitärer Kult mit starker wirtschaftlicher Ausprägung usw. ist, gibt es andere Stimmen, die in Scientology eine Neue Religiöse Bewegung zu erkennen glauben.

Meinungen fallen nicht vom Himmel, sondern werden von Personen „gemacht”. Geht es um den Anspruch, dass Scientology eine Religion sein möchte, fühlen sich Religionswissenschaftler aller Art dazu aufgerufen, sich mit dieser Frage zu beschäftigen.

Das Wikipedia-Konzept steht und fällt wiederum mit den sogenannten Einzelnachweisen, die sozusagen als Beleg bzw. Beweis für die geäußerte Meinung in einem Artikel herhalten müssen. In den letzten Jahren gab es zum Thema Scientology eine Fülle von Statements bzw. Büchern und damit auch eine entsprechende Anzahl der besagten Einzelnachweise. Jetzt bedurfte es nur mehr eines „Moderators“, der auf die einzelnen Schriftstücke verweist, die als solche Einzelnachweise taugen könnten – ich nehme nicht an, dass die Verfasser des Wikipedia-Eintrags alle Einzelnachweise tatsächlich gelesen haben.

Scientology bzw. deren Geheimdienst kennt diesen Mechanismus natürlich auch – noch besser kennt die Psychosekte aber die Vorgabe von L. Ron Hubbard dazu: „Wir wollen nicht, dass in der Presse über Scientology anderswo berichtet wird, als auf den religiösen Seiten!” (1955, A Manual on the Dissimination of Material).

Wikipedia stellt an sich einen sogenannten Multiplikator dar, dessen Artikel wiederum andere Menschen beeinflussen.

Es ist daher nicht unwesentlich, ob Scientology im Wikipedia-Opening-Statement als „kommerziell orientierte Sekte, die ursprünglich von dem amerikanischen Philosophen und Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard gegründet wurde. Sie ist ähnlich einem Konzern oder einer Militärdiktatur strukturiert und führt ihre Mitglieder in psychische Abhängigkeit.“ (Wikipedia 2003) beschrieben wird oder als „eine Neue Religiöse Bewegung, deren Lehre auf Schriften des US-amerikanischen Schriftstellers L. Ron Hubbard zurückgeht. In ideeller Hinsicht sind ihre Lehre und Praxis von szientistischen und psychotherapeutisch anmutenden Komponenten geprägt, die später um transzendente Aspekte erweitert wurden“ (Wikipedia 2014) vorgestellt wird.

Exakt darum geht es Scientology!

In den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts machte sich der Scientology-Geheimdienst, der damals noch Guardian Office hieß, noch selbst die Hände schmutzig und unterwanderte u.a. unzählige Regierungsstellen auf der ganzen Welt, um sämtliche aus Scientology-Sicht negative Schriftstücke zu „entfernen“. L. Ron Hubbard hatte die Operation Snow White (Schneewittchen) ins Leben gerufen und unter der Führung seiner Ehefrau Mary Sue wurden seine Vorgaben in die Tat umgesetzt. Mary Sue Hubbard und zehn führende Scientologen wanderten danach geschlossen ins Gefängnis – kann man übrigens in neutraler Form auf Wikipedia samt entsprechender Quellen und Weblinks nachlesen … ;-)

Scientology taufte in der Folge nicht nur seinen Geheimdienst um – nunmehr Büro für Spezielle Angelegenheiten (OSA) -, sondern änderte vor allem die Taktik. Es ging nicht mehr nur darum, Negatives über Scientology zu eliminieren, sondern Scientology nachhaltig als Religion zu positionieren. Und dazu bedurfte es Lobbyisten, die in deren Sinne unterwegs waren und sind!

Joseph "Joe" Grieboski ...

Joseph “Joe” Grieboski …

Tony Ortega, damals noch Chefredakteur der amerikanischen Village Voice, stolperte im Dezember 2011 über einen Satz des Huffington Post-Bloggers Joe Grieboski, der darin monierte, dass „die Mehrheit von uns vom Horror der Verfolgung von Christen in China, Ahmadiyyas in Pakistan, Scientologen in Belgien und Muslime in Frankreich geschützt sei“hier der Link.

Ortega recherchierte weiter, fand THE INSTITUTE on Religion & Public Policy, das Joe Grieboski leitet und sprach mit Marty Rathbun, lange Jahre die rechte Hand von David Miscavige, dem aktuellen Sektenführer – Rathbun: „Ja, ich hatte ihn angeheuert, da er exzellente Kontakte zum Vatikan und allen katholischen Ländern hatte, wo Scientology in Schwierigkeiten war: Italien, Frankreich, Belgien. Das war der Grund, warum er auf unsere Lohnliste kam. Er ist ein Lobbyist“.

Tony Ortega schrieb auch Grieboski an, bat um eine Stellungnahme – und bekam sie!

Griebsoki schrieb, „dass es ihm leid täte, dass er erst jetzt antwortete, aber vor den Feiertagen kam er nicht dazu“. Weiter führte er aus, „dass sein Institut niemals auf eine bestimmte Religion konzentriert war, es sich weltweit einsetzte und das alles gut dokumentiert und respektiert sei“. Auf den Umstand, dass er auf der Lohnliste der Scientologen stand, ging er folgendermaßen ein: „Neben meiner Tätigkeit für das Institut beriet ich auch eine Reihe von Institutionen in Bezug auf die Gesetzeslage. Ich habe die Scientologen genauso beraten, wie eine Reihe anderer Gruppen“.

Mit keinem Wort ging er auf Deatils des Scientology-OSA-Grieboski-Arrangements ein, dafür wünschte er Ortega abschließend eine glückliche Weihnachtszeit.

03 28032014 Logo THE INSTITUTE

Marty Rathbun konnte besagtes Dokument aber vorlegen – das Griboski-Programm des Büro für Spezielle Angelegenheiten (OSA), in dem haarklein die Schritte vorgegeben werden, die Griboski zu unternehmen hat. Auch Deutschland kommt vor – hier das OSA-Programm aus dem Jahr 2007 im Original …

Und hier die deutsche Übersetzung …

Wobei man sich den Deutschlandteil auf der Zunge zergehen lassen sollte – Scientology/OSA wollte von Grieboski nicht mehr und nicht weniger als folgendes, was die Anweisungen deren Anweisungen an den „Führungsoffizier“ von Grieboski zeigen:

19. Stelle ein Briefing Pack über die gegenwärtige Szene in Bezug auf die Minderheitsreligionen zusammen. …
20. SITUATIONSABHÄNGIG: Wenn Grieboski andere Unterlagen benötigt, stelle sicher, dass diese unmittelbar beschafft werden.
21. Finde vom DSA [Director of Special Affairs, OSA_Chef – Anm.] Deutschland heraus, wer in der Bundesregierung und in den relevanten Bundesländern von Wert wäre, von Grieboski kontaktiert zu werden.
22. Lass Grieboski bestimmen, wen er in den deutschen Kirchen (Röm-Kath. und Protestanten) kontaktieren könnte, der Gesetze beeinflussen kann.
23. Bringe Grieboski dazu, einen exakten Plan samt Taktik auszuarbeiten, wie er diese Personen treffen und zu Verbündeten machen kann.
24. Bringe Grieboski dazu, Meetings in Deutschland anzuberaumen.
25. Lass ihn – auf die gleiche Art und Weise wie in Belgien – die einzelnen Regierungsmitglieder instruieren und zu Verbündeten machen und bekomme ihre Zusage, Aktionen zu unternehmen, um die Gesetze in der Bundesregierung zu ändern.
26. Bringe Grieboski dazu, dass dieser wiederum diese Regierungsmitglieder usw. dazu bringt, dass diese exakt ausarbeiten, was sie tun werden und dass Grieboski allem entgegenwirkt, was nach ‚Lippenbekenntnis‘ aussieht.
27. Stelle sicher, dass Grieboski die entsprechenden Regierungsmitglieder trifft.
28. Führe das Meeting durch.
29. Wiederhole das Ganze bei den Zielpersonen der Röm.-Kath. Kirche.
30. Wiederhole das Ganze bei den Zielpersonen der Protestanten.
31. Bekomme Grieboski dazu, die Zusage sowohl von Offiziellen der Regierung und religiösen Führern zu bekommen, dass diese in Kontakt blieben und diese ihm darüber berichten, wenn sie in Aktion treten und was sie taten.

03 28032014 Duden Quelle Haus der Sprachen

Dass nicht nur Wikipedia von der „Re-Definition“ betroffen ist, läßt sich auch an einem anderen Beispiel zeigen: Der DUDEN stellt sich selbst als Universal-Wörterbuch vor, das zu allem und jedem eine Definition anzubieten hat.

2001 lautetet der DUDEN-Eintrag zu Scientology: „Sich selbst als Kirche bezeichnende Bewegung, deren Anhänger behaupten, eine wissenschaftliche Theorie über das Wissen und damit den Schlüssel zu (mithilfe bestimmter psychotherapeutischer Techniken zu erlangender) vollkommener geistiger und seelischer Gesundheit zu besitzen.”

Neutraler und vor Klagen sicherer geht’s kaum … ;-)

Mittlerweile hat der DUDEN einen kleinen Meinungswechsel vollzogen – in deren 2014-Onlineausgabe wird Scientology bereits etwas anders definiert: „Religionsgemeinschaft, deren Anhänger glauben, eine wissenschaftliche Theorie über das Wissen und damit den Schlüssel zu vollkommener geistiger und seelischer Gesundheit zu besitzen.“

Aus der Bewegung, die in Anspruch nimmt, wurde eine Religionsgemeinschaft – wissen Sie, was ich meine?

L. Ron Hubbard hätte seine Freude, wenn er sehen würde, wie sein Ansinnen selbst in Ländern wie Deutschland, Österreich oder der Schweiz, die Scientology mehr als nur kritisch gegenüberstehen, zum Sprachgebrauch wird …

Mehr im zweiten Teil von Wikipedia und Scientology

Fotos: Anonymous/Why-we-protest, THE INSTITUTE on Religion & Public Policy (2), Haus der Sprachen


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